Gamification: Hausaufgaben als Spiel
Das College of Business der National Taipei University, Taiwan digitalisiert die Bearbeitung der studentischen Hausaufgaben: für die Einführungs-Vorlesung "Principles of Economics" wird anstatt der üblichen handschriftlichen Hausaufgaben die Game-based-Learning-Software yeepa eingesetzt. Die Studierenden erspielen im Wochenintervall jeweils eine Punktvorgabe und müssen dabei eine minimale Erfolgsquote von 50% erreichen. Mit welcher Strategie sie das erreichen, bleibt ihnen überlassen.
Hintergrund
Die Einführungs-Vorlesung "Principles of Economics" läuft über zwei Semester, wird in englischer Sprache gehalten und richtet sich an internationale Studenten. Da es sich um faktenreichen Stoff handelt, werden hier traditionell u.a. Multiple-Choice-Tests eingesetzt. Der methodische Vorteil von MC-Tests liegt darin, dass sich damit auch große Fallzahlen gut abwickeln lassen und eine optimale Vergleichbarkeit der Lernleistungen gegeben ist. Die Hausgaben kombinieren MC- und Freitext-Aufgaben und werden nach jeder Wochen-Vorlesung vergeben bzw. sind zum Folgetermin abzugeben. Die Auswertung erfolgt semi-automatisch. Der Hausaufgaben-Erfolg bedingt einen Anteil für die Kurs-Credits. Sowohl bei Studenten wie auch bei den Lehrkräften erfreut sich Szenario nur mässiger Beliebtheit. Genau hier setzt die digitale Transformation an: die Abwicklung der Hausaufgaben soll für den Hochschul-Lehrer einfacher werden und das Lern-Szenario für die Studenten motivierender.
Idee: Hausgaben als soziales Spiel-Ereignis
Der Lösungsansatz, die Hausaufgaben als spielerischen Wettbewerb zu inszenieren, wurde mit dem Gaming-Server yeepa realisiert. yeepa liefert Multiplayer-Quiz-Games, an deren die Spieler mit dem Smartphone oder dem PC via Web-App in Echtzeit gegeneinander antreten. Gespielt werden kann alleine oder gemeinsam mit anderen. Das gemeinsame Spiel ermöglicht aufgrund der Spieldramaturgie höhere Punktgewinne (Kooperations-Vorteil, informelles Lernen). Charakteristisch für das Spiel ist, dass der Punktwert-Erfolg nicht nur abhängig vom Wissen ist, sondern auch von der Spiel-Strategie und von Zufallskomponenten.
Mit jeder Vorlesung wird ein thematisch korrespondieres Quiz-Game mit ca. 100 Fragen freigeschaltet. Die Spieler haben in der Regel eine Woche Zeit eine Punktwert von 6000 zu erreichen. Um zu verhindern, dass Punkte nach dem Zufalls-Prinzip gesammelt werden, ist als Kontroll-Kriterium eine minimaler Erfolgs-Score von 50% vorgeschrieben. Um die Wirksamkeit der Vorlesungs-Veranstaltung zu validieren, addressiert die Fragensammlung eines Spiels stets zu 20-30% den fachlich noch nicht bekannten Stoff der kommenden Vorlesung. Insgesamt wurden pro Semester ca. 1500 Fragen eingesetzt.
Didaktik: Spielen - Messen - Lernen
Um die Spiel-Leistung zu verbessern, erhält der Spieler individuelle Lerntipps und Literatur-Referenzen. Nach jedem Spiel steht ggf. eine Liste von Fragen bereit, mit den sich der Spieler auseinandersetzen darf, um beim nächsten Spieldurchgang ein besseres Resultat zu erzielen. Die individuellen Fehler-Fragen werden im Lernen-Modus der Web-App in Form eines "Karten-Stapels" präsentiert und werden automatisch nach dem Leitner-Schema wiederholt. Neben der vordergründigen Spielleistung in Form des Punktwerts gibt es mit dem yeepa-index einen objektiven Messwert der statistisch ermittelten Fragen-Schwierigkeiten, der es sich dem Spieler erlaubt, sich in der Gruppe mit seinem Wissensstand zu verorten. Dem Spieler steht es frei, daraus einen Lern-Bedarf für sich abzuleiten. Nach absolvierter Hausaufgabe stehen die Games weiterhin zur Verfügung und können jederzeit, beliebig oft zur finalen Klausur-Vorbereitung weitergespielt werden.
Methode: Besser Messen durch Wiederholung
Im Rahmen der Spiele wiederholen sich Fragen zufällig, so dass sich Rate-Effekte und Wissen präziser trennen lassen, zudem lassen sich Wissens-Entwicklungen über die Zeit messen. In der Regel repräsentiert die Erfolgsquote einer Fragensammlung tatsächlich nicht automatisch die Fähigkeit zur Lösung, sofern der Test zuvor nicht statistisch validiert worden ist und zu leichte, missverständlliche oder zu schwierige Items aussortiert worden sind. Für einen validen Test ist eine gleichmäßige Verteilung der Fragen über alle Schwierigkeits-Bereiche vorauszusetzen. Im Voraus lässt sich also die Testqualität grundsätzlich nicht bestimmen. yeepa löst das Problem, indem auf Basis der gespielten Daten für jedes Leistungs-Niveau charakteristische Fragen identifiziert werden, für die sich eine Schwierigkeit mit Hilfe psychometrischer Statistik valide berechnen lassen (Fragen-Kalibration). Nur diese sog. Index-Items werden dann zur Ermittlung des yeepa-Index verwendet; damit ist dieser Wert für den Wissenstand deutlich aussagekräftiger als die durchschnittliche bzw. nicht-kalibrierte Erfolgsquote.
Ergebnisse
Sämtliche Vorlesungs-Studenten haben am Spiel teilgenommen. Eine technische Hürde bei Einsatz der Web-App wurde nicht berichtet. 92% der Studenten haben die Vorgaben hinsichtlich Punktwert und Erfolgsquote erfüllt. Mehr als ein Drittel der Teilnehmer hat sehr intensiv gespielt und sich um die Platzierung im oberen Rangbereich des Highscore bemüht. Im Vergleich zu den Vorjahren mit klassischer Hausaufgabe haben sich die Erfolg-Quoten von Zwischen- und Finaltest um 10-12 Prozent-Punkte verbessert.